Der Behinderte Rolli-Fahrer

Bin heute Abend von meiner Mutter aus mit dem Auto nach Hause gefahren… Das erste Stück geht es einen steilen Berg hoch – und siehe da: da ist ein Mensch auf der Straße, der offensichtlich ein Problem hat.
Ein junger Mann kämpft sich den Berg hoch, wobei er ein dreirädriges Fahrzeug schiebt… Die Hälfte des Bergs hat er schon geschafft – RESPEKT. Aber ihm steht sichtlich der Schweiß auf der Stirn und er wirkt ziemlich am Ende seiner Kräfte. Durch das besondere Fahrzeug mit dem blauweißen Aufkleber und den etwas stagsigen Gang ist mir nicht entgangen, dass er eine körperliche Behinderung hat.

Im Vorbeifahren frage ich ihn, ob ich ihm helfen kann… er sagt sofort “JA – bitte!” – also ich am Rand mein Auto geparkt, um ihm erst einmal mit anzuschieben, damit sein Gefährt den Berg hoch und von der Mitte der Straße runter kommt.
Währenddessen frage ich natürlich, wo genau das Problem liegt, um zu klären, ob ich noch mehr für ihn tun kann.
Katastrophe! Fahrzeug springt nicht an – er muss aber jetzt zum Hauptbahnhof, weil er da wohnt. Indes kommt ein weiterer junger Mann die Straße hochgerannt um mit anzuschieben. Ist ein Verwandter – vielleicht Cousin oder so. Na super – so geht es super fix und einfach für alle den Berg hinauf. Währenddessen bekomme ich von beiden erklärt, was genau Sache ist:
Es ist ein reines Elektro-Fahrzeug, d.h. es ist nicht die Zündung, die zu wenig Saft hat. Der Akku ist einfach alle – das Ladekabel liegt zu Hause. Der Fahrer flucht auf den ADAC, der trotz vielen, vielen Versuchen nicht drangeht….
Das wäre heute morgen auch schon so gewesen!!! Wie jetzt? Das Problem besteht seit heute morgen und Du kommst jetzt um kurz vor 22h auf die Idee das Teil zu schieben und fluchst auf den ADAC, der nicht kommt?
Und ehrlich gesagt: der ADAC wird wahrscheinlich lachen, weil er wegen eines leeren Akkus anruft. Und es ist fraglich, ob sie ihn aufladen können bzw. wegen so etwas abschleppen würden. Halte ich für sehr unwahrscheinlich.
“Wie wäre es, das Ding einfach stehen zu lassen, Akku raus, mit der Bahn nach Hause und morgen mit vollem Akku wiederkommen – EASY!”
“NEIN” – er hat Angst, dass der Roller geklaut wird.
Ich: “Kein Problem – Du darfst den bei meiner Mum in den Hof stellen. Wir machen das Hoftor zu, dann ist er sicher… und ich kann dich gerne jetzt auf dem Weg bis zur U-Bahn-Station mitnehmen, dann bist Du in 15min zu Hause.

Hmh – er ist nicht überzeugt.
Sein Cousin redet auf ihn ein, dass wäre doch die Lösung….
Nö, er soll noch mal den Scheiß ADAC anrufen, ob ich auch noch einmal den ADAC anrufen kann?
Ich sage ihm noch einmal, was ich glaube, wie er ADAC reagieren wird, wenn er überhaupt kommt und wie ich die Chancen einschätze, dass sie ihm helfen können.
Noch einmal erkläre ich in Ruhe, was ich für ihn tun kann, dass er darauf vertrauen kann, dass alles sicher ist und morgen in Ruhe bei Tageslicht mit vollem Akku wiederkommen kann.
NEIN – er will jetzt mit dem Roller nach Hause und beginnt trotz weiteren gut gemeinten Worten seines Cousins, den Roller die nächste Anhöhe weiter in Richtung Hauptstraße zu schieben.
Ein letztes Mal biete ich das an, was ich tun kann – gebe es aber nach einem kurzen schulterzuckenden Blickwechsel mit seinem Verwandten einfach auf… – der Rollifahrer hört mir schon nicht mehr zu und schiebt schwitzend und fluchend weiter seinen Rolli den Berg hinauf in die Nacht, noch ca.10km Weg vor sich und eine fragliche Aussicht auf Hilfe vom ADAC.

Bisschen enttäuscht bin ich schon, dass meine angebotene Hilfe dem jungen Mann mit Tunnelblick als nicht hilfreich erscheint – aus verschiedensten Gründen. Auf der Fahrt nach Hause lasse ich die gesamte Situation noch einmal in mir Revue passieren und muss innerlich lachen:
Das ist ja GENAU WIE BEI MEINER ARBEIT! 😀

An ALLE Menschen mit oder ohne Rolli – ich versuche Euch nach meinem bestem Wissen und Gewissen zu helfen – wenn ihr mich lasst… 😉

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